Ein Beitrag unseres Mitglieds,
Historiker & Autor
Dr.h.c. Michael Hesemann
Als Historiker mit ständigem Zugang zu den Archiven des Vatikans und Teilnehmer an archäologischen Ausgrabungen im Heiligen Land befasst sich Hesemann mit dem Alten und Neuen Testament wie den faszinierendsten Kapiteln der Kirchengeschichte.
Er veröffentlichte gemeinsam mit Georg Ratzinger den Bestseller „Mein Bruder der Papst“, begleitete die letzten drei Päpste auf zahlreichen Reisen und schrieb die erste in Argentinien vor Ort recherchierte Biografie über Papst Franziskus. Seine Bücher, viele davon Bestseller, wurden in 16 Sprachen übersetzt.
Lesen Sie hier seinen Beitrag:
Meine sehr verehrten Dame und Herren,
es waren nur wenige Tage vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs, als Papst Pius XII. seine berühmte Rede an die Welt hielt, als er sagte: „Mit dem Frieden ist alles gewonnen, mit dem Krieg ist alles verloren.“
Wir wissen alle, wie prophetisch diese Worte waren. Deutschlands Wahnidee vom „Lebensraum im Osten“ forderte Millionen von Toten, verwandelte deutsche Städte in Trümmerfelder. Damals schworen sich unsere Eltern und Großeltern: Nie wieder Krieg!
Ein halbes Jahrhundert lang blieb Deutschland dieser Maxime treu, Friedensmacht statt Kriegspartei zu sein. Selbst nach dem schrecklichen Attentat vom 11. September, das George Bush jr. als Vorwand für seinen Angriffskrieg auf den damals völlig unbeteiligten Irak missbrauchte, verweigerte ein deutscher Bundeskanzler, Gerhard Schröder, Washington die Gefolgschaft. Ein kluger, ja heiliger Papst, der Pole Johannes Paul II., der selbst den 2. Weltkrieg durchlitten hatte, rief laut und für alle hörbar: „“Nie wieder Gewalt! Nie wieder Krieg! Nie wieder Terrorismus!“. Jede Religion müsse „im Namen Gottes Gerechtigkeit und Frieden, Vergebung, Leben und Liebe“ auf der Erde verbreiten.
Auch damals erlebten wir, wie recht der Papst und auch Gerhard Schröder hatten: Der Irak-Krieg wurde zum Fiasko, er stürzt das ganze Land in ein Chaos, von dem es sich bis heute nicht erholt hat. Anstelle des Diktators Saddam Hussein kamen Warlords und Terroristenführer an die Macht, wurde der Islamische Staat geboren, fanden Völkermorde an Christen und Jesiden statt.
Lernen wir aus der Geschichte?
Im Gegenteil. Die deutsche Staatsräson „Nie wieder Krieg“ ist längst der Realität einer indirekten Kriegsbeteiligung gewichen, seit Vladimir Putins Truppen in der Ukraine einmarschierten. Ist es wirklich alternativlos, wie Frau Merkel gerne zu sagen pflegte, wenn sie uns das Denken ersparen wollte, ist es wirklich alternativlos, der Ukraine zum Sieg über Russland zu verhelfen? Darf nicht zumindest gefragt werden, wie realistisch dieses Ziel ist? Und um welchen Preis allein es realisiert werden könnte?
Die Geschichte hat gezeigt, dass indirekte Kriegsbeteiligung früher oder später immer zur direkten Kriegsbeteiligung führt. Sind wir also auch bereit, unsere jungen Männer an die Ostfront zu schicken, mit der Gewissheit, dass viele von ihnen nur in Bleisärgen heimkehren werden? Sind wir bereit, erneut eine Bombardierung deutscher Städte zu erleben, unser Land, unseren Wohlstand, unser Leben in Trümmern zu sehen? Wollen wir auch das Risiko eines Atomkrieges tragen, der auf großen Teilen unseres Kontinentes alles Leben vernichten, ja Europa für Jahrtausende unbewohnbar machen wird?
Wer diese drei Fragen mit Ja beantwortet, der möge gerne mit der Bahn nach Kiew reisen und sich dort freiwillig melden. Präsident Selenskyi braucht dringend neue Kämpfer. Wir anderen aber, denen dieser Preis zu hoch ist, sollten dann aber auch den Konsens der Kriegsfront CDU-CSU-SPD-FDP-Grüne hinterfragen, der jeder Friedensverhandlung eine Absage erteilt. Als ob nicht Frieden, selbst um einen hohen Preis, immer noch die bessere Alternative zum Massensterben an der Kriegsfront wäre.
Ich habe schon zwei Päpste zitiert und stelle mich als Katholik auch hinter einen dritten, hinter Papst Franziskus, der sagte: „Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird“. Er denke, so sagte er dem Schweizer Rundfunk im März, „dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat und verhandelt“. „Verhandeln ist niemals ein Sich-Ergeben. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu führen“. Noch vor 2 Wochen schrieb Franziskus nach Kiew und Moskau: „Der Krieg ist eine tiefe Wunde für die Menschheitsfamilie … sein Schrecken erhebt sich zu Gott und ruft nach Frieden statt Krieg, nach Dialog statt Waffenlärm.“
Wie wahr. Und darum sollte Deutschland, gerade Deutschland, zum Friedensstifter statt zum Waffenlieferanten und zur Kriegspartei werden. Weil wir aus der Vergangenheit lernten. Und weil wir eine Zukunft haben wollen, rufen wir: Nie mehr Krieg!